Jahresbericht 2015

 

Der vorliegende Bericht ist der erste seiner Art, den das Institut für Altertumswissenschaften (IAW) der JGU Mainz veröffentlicht. Er soll fortan jährlich erscheinen und jeweils einen Überblick über die Aktivitäten des Instituts liefern, das im Oktober 2013 gegründet wurde und sich aktuell in einem erfolgreichen Prozess des Zusammenwachsens befindet. Dieser Bericht, der die Präsentation der vielfältigen Aktivitäten eines auf vier Standorte verteilten und sechs Fächer umfassenden Instituts in einer gemeinsamen Veröffentlichung bündelt, ist Teil dieses Prozesses.

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Die zunehmend angespannte politische Lage in vielen Staaten Nordafrikas und Vorderasiens und die damit verbundene Verschlechterung der Sicherheitslage haben sich im vergangenen Jahr auch für manche Angehörige des Instituts bemerkbar gemacht, weil geplante Forschungsprojekte oder Exkursionen verschoben oder ganz abgesagt werden mussten.

2015 organisierten die Mitglieder des IAW neben zahlreichen Ausgrabungen, Prospektionen und Exkursionen nahezu 50 Gastvorträge und rund 20 Tagungen, Workshops und Konferenzen mit internationaler Beteiligung, darunter die erfolgreiche interdisziplinäre Ringvorlesung „Anfang und Ende. Vormoderne Szenarien von Weltentstehung und Weltuntergang“ die im WS 2014/15 unter der Leitung von Marion Gindhart und Tanja Pommerening stattfand und die paradigmatisch Fragestellungen und Methoden des GRK 1876 „Frühe Konzepte von Mensch und Natur“ einer breiteren Öffentlichkeit näher brachte. Zugleich repräsentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IAW das Institut durch mehr als 150 gehaltene Vorträge innerhalb und außerhalb der JGU, die sich durch eine große Themenvielfalt auszeichneten.

Eine einzigartige thematische und methodische Bandbreite der Fächer und Disziplinen am IAW spiegelte sich 2015 auch in der Akkreditierung neuer Forschungsprojekte und Kooperationen wider, die im Folgenden nur beispielhaft genannt werden können: Im April startete das neue Akademievorhaben „Altägyptische Kursivschriften: Digitale Paläographie und systematische Analyse der Hieratischen und der Kursivschriften“ unter Leitung von Ursula Verhoeven-van Elsbergen (Arbeitsbereich Ägyptologie), das erstmals das Hieratische zum Gegenstand umfassender Grundlagenforschung macht. Mit Kollegen der Universität Würzburg arbeitet Marion Gindhart (Arbeitsbereich Paradigma Alte Welt) am Projekt „Opera Camerarii. Eine semantische Datenbank zu den gedruckten Werken von Joachim Camerarius d. Ä. (1500–1574)“. Es hat zum Ziel, das umfangreiche Œuvre Joachim Camerarius‘ bibliographisch sowie literatur- und wissenschaftsgeschichtlich zu erschließen. Am Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie konnte Hans-Peter Kuhnen durch eine Förderung des Auswärtigen Amts ein Restaurierungsprojekt in Kooperation mit der Israel Nature and Parks Authority Jerusalem in Angriff nehmen („Return to Restore: Restaurierung des frühislamischen Kalifenpalstes Khirbat al-Minya (Israel)“. Seit Oktober wird am Arbeitsbereich Vorderasiatische Archäologie das Forschungsprojekt „Altorientalische Erinnerungskulturen“ unter der Leitung von Aaron Schmitt durch die Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert. Ausgehend von einer systematischen Materialsammlung besonders aussagekräftiger Funde aus vier mesopotamischen Fundorten soll eine umfassende Studie zur altorientalischen Erinnerungskultur Mesopotamiens vom 3. Jahrtausend bis zur Mitte des 1. Jahrtausends entstehen. Eines der Highlights des letzten Jahres war die u. a. von Christine Walde (Arbeitsbereich Klassische Philologie) organisierte internationale Tagung „Rom bei Nacht. Eine Kulturgeschichte von Schlaf und Traum im spätrömischen Reich“ vom 26. bis 28. November 2015. An der im Campo Santo Teutonico im Vatikan stattfindenden Veranstaltung konnten auch zahlreiche Studierende der JGU teilnehmen. Der Arbeitsbereich Klassische Archäologie ermöglichte zwei seiner Studierenden ebenfalls ein besonderes Forschungserlebnis: Im August führten sie fast drei Wochen lang in Teilen des Stadtgebietes des antiken Kaulonia eine geophysikalische Prospektion durch, die neue Erkenntnisse zu den bislang noch weitgehend unerforschten Stadtanlagen der archaischen bzw. spätklassischen Zeit generieren konnte. Eine gute Nachricht im Hinblick auf die Fortführung eines bedeutenden Grabungsprojekts erhielt im vergangenen Jahr der Arbeitsbereich Altorientalische Philologie: Die Finanzierung der Grabungen in Haft Tappeh (südwestlicher Iran in der heutigen Provinz Khuzestan) mit dem Ziel, die chronologischen Verhältnisse der Bauschichten am Fundort zu klären, wurde von der DFG erneut bewilligt. Die nächste Grabungskampagne konnte damit in Planung gehen.

Während 2015 zahlreiche Projekte und Forschungsvorhaben neu begonnen oder weiter vorangetrieben wurden, fanden auch einige ihren Abschluss, beispielsweise die Herausgabe eines umfangreichen internationalen Sammelbandes mit dem Titel „Ägyptologische ‚Binsen‘-Weisheiten I-II“ von Ursula Verhoeven-van Elsbergen und die Veröffentlichungen der mit summa cum laude bewerteten Dissertation von Rebekka Schirner („Inspice diligenter codices. Philologische Studien zu Augustins Umgang mit Bibelhandschriften und -übersetzungen“) sowie der Habilitationsschrift von Annemarie Ambühl („Krieg und Bürgerkrieg bei Lucan und in der griechischen Literatur. Studien zur Rezeption der attischen Tragödie und der hellenistischen Dichtung im Bellum civile.“). Zudem schloss zu Beginn des Jahres Sabine Hornung ihr Habilitationsverfahren mit großem Erfolg ab.

Bereits im Sommer wurde vom RGZM gemeinsam mit der JGU bei der Leibniz-Gemeinschaft ein Antrag auf Bewilligung eines Leibniz-WissenschaftsCampus „Archaeological Sciences in Mainz (ArSiM)“ eingereicht, an dem das Institut für Altertumswissenschaften maßgeblich beteiligt ist. Ziel ist es, eine koordinierende Infrastruktur zwischen RGZM und JGU zu schaffen, um die gemeinsame Einwerbung von Drittmittelprojekten an der Schnittstelle zwischen Archäometrie / Kulturwissenschaften zu vereinfachen und gemeinsame Lehrprogramme aufzubauen.

Ein Markstein 2015 war zudem die Gründung eines Archäologischen Netzwerks in der Rhein-Main-Region (VARM), dessen Grundstein mit einer Kick-Off-Veranstaltung am 20. und 21. November an der JGU gelegt werden konnte. Aus dem Institut für Altertumswissenschaften sind neben der Klassischen Archäologie auch die Ägyptologie, die Vorderasiatische Archäologie und die Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie unmittelbar am Aufbau des Netzwerkes beteiligt. Die Altorientalische und Klassische Philologie sind als Partner in verschiedene, aus dem Netzwerk heraus entstehende Projekte eingebunden (s. dazu den Bericht zum VARM).

Erfreuliches gibt es auch aus dem Bereich Studium und Lehre zu berichten: Bei den archäologischen Bachelor-Studiengängen gab es grundlegende Veränderungen, die nach längerer Planung Ende des Jahres im Senat beraten und angenommen wurden und die bereits zum Sommersemester 2016 in Kraft treten werden (s. dazu den Bericht aus dem Studienbüro).

Personell gab es im letzten Jahr einige Wechsel. So konnte das IAW Alexander Pruß willkommen heißen, der die Professur für Vorderasiatische Archäologie antrat. Bereits im Oktober übernahm er zudem das Amt des Geschäftsführenden Institutsleiters von Wilhelm Blümer (Klassische Philologie). Im August 2015 trat unsere Bibliothekarin Alice Haubrich in den wohlverdienten Ruhestand ein. Alice Haubrich war seit September 1984 ununterbrochen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig und betreute seitdem die Fachbibliothek der Klassischen Philologie mit größtem Fachwissen und Umsicht. Später übernahm sie auch die Verantwortung für die Fachbibliotheken der Ägyptologie und Altorientalischen Philologie, der Slavistik und der Byzantinistik. Sie war für Generationen von Studierenden und für unsere gesamten Fächer bei der Literaturrecherche und -beschaffung stets eine äußerst hilfreiche, herzliche und unermüdliche Begleiterin. Die von ihr regelmäßig durchgeführte Bibliothektsinventur legte ebenso beredtes Zeugnis dafür ab, dass sie bis zuletzt in ständiger Sorge um unsere Bestände wirkte.

Je ein Forschungssemester begingen Tanja Pommerening, Christine Walde und Christopher Pare im Sommersemester sowie Marion Gindhart und Wilhelm Blümer im Wintersemester. Das Institut gratulierte vergangenes Jahr Ursula Verhoeven-van Elsbergen und Wilhelm Blümer zum 25-jährigen Dienstjubiläum. Getrauert wurde um Annalis Leibundgut, die von 1987 bis 1997 die Professur in der Klassischen Archäologie bekleidete und 2014 verstarb. Eine Gedenkfeier fand am 15. September 2015 statt.