Sorge(n) des Lebens – Workshop des Profilbereichs "40.000 Years of Human Challenges"

Sorge(n) des Lebens:
Herausforderungen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus Sicht der Ancient Studies

Workshop des Profilbereichs „40.000 Years of Human Challenges“ am 1. Juli 2022 in Mainz

 

Mit dem Konzept der Sorge bzw. des Sorgens wollen wir verschiedene Assoziationen aufrufen und dadurch Wissen(schaft)sfelder produktiv verknüpfen. Einerseits ist Sorge(n) ein wesentlicher Aspekt von Herausforderungen, die in Analysebegriffen wie Bewältigung, Krisenmanagement, Resilienz, Vorbeugung, Achtsamkeit positiv aufgerufen wird. Andererseits kann ein ‚sich sorgen‘ als ein Verlust der Sicherheit, der Erwartbarkeit des Kommenden angesehen werden und stellt auch dadurch eine untrennbare Verbindung mit Herausforderungen dar. Daher regt die Janusgestalt des Begriffs Sorge als einer „positiv-umsichtigen Pflege ebenso wie einer negativ-paralysierenden Zukunftsangst“ (Henkel u. a. 2016, 21; vgl. auch Folkers 2020) zur Erkundung dieser Paradoxien ein, da diese ursächlich zusammenhängen.

Wenn wir Herausforderungen des Lebens als Zeiten der Unsicherheit über Möglichkeiten des Weiter- und Überlebens, des „richtigen“ Lebens verstehen, dann kann Sorge(n) die Art sein, diese Herausforderungen als bewältigbar wahrzunehmen, zu konzeptualisieren und letztlich zu lösen. Sorge ist dabei eine komplexe Weise der Weltbeziehung – der Zugewandtheit zu Welt. Ausgehend vom lateinischen curare bzw. erscheinen uns Sorge(n) des Lebens als stimulierender Ausgangspunkt, Herausforderungen in ihrer Komplexität weiter zu denken. Mögliche Unsicherheiten des Kommenden sollen versichert – umsorgt – werden. Gesundheit soll dabei ebenso abgesichert werden wie die Seelsorge und Totenfürsorge Verstorbene über ihr Leben hinaus begleitet und sicherstellt. Die Sorgen des Zusammenlebens führen zu individuellen oder kommunalen Strategien bis hin zu staatlichen Regulierungen oder institutionalisierter Care-Arbeit.

Für unseren Workshop möchten wir ausloten, welche Aspekte von Sorge/Fürsorge/Vorsorge/Umsorgung sich in den vormodernen Gesellschaften nachweisen lassen, uns Fragen der Übertragbarkeit moderner Konzepte widmen und anhand von Fallbeispielen Sorgepraktiken einzelner früher Kulturen beleuchten. Dazu möchten wir das Thema in Anlehnung an den Forschungsschwerpunkt „Dimensionen der Sorge“ des Evangelischen Studienwerks Villigst in drei Schwerpunkte unterteilen (Henkel u. a. 2016, 21), um uns dem Thema in seinen vielfältigen Formen zu nähern:

1. Sorge um sich: Selbst(für)sorge (epiméleia heautoû bzw. cura sui), Technologien des Selbst (vgl. Foucault), aber auch Gesundheitsvor- und nachsorge sind Themen, die in diesem Schwerpunkt im Zentrum stehen sollen. ‚Sorge um sich‘ muss dabei nicht individuell sein, sondern auch Gemeinschaften sorgen sich um ihr (Über)Leben. Zugleich ist Sorge um sich immer auch auf Herausforderungen der Um- und Mitwelt bezogen, löst sich also nicht in der Selbstbetrachtung auf.

2. Sorge um Andere: Das Kümmern, Sorgen, Pflegen, aber auch kommunale Sorge, Fürsorge, Nachsorge und Seelsorge, wechselseitige Sorge-Beziehungen sind Erscheinungen der Sorge um Andere. Zugleich prägen Empathie, Mitgefühl und Angst, Unsicherheit und Unwägbarkeit die Art der Hin- und Zuwendung zu Anderen. In der Vergesellschaftung und Externalisierung von Sorge als Sorge um Andere werden zudem Herrschaftsweisen geschaffen, wenn Herrschaft auch als Sicherheitsgarant charakterisiert ist.

3. Sorge um die Umwelt: Gerade die Klimakrise zeigt, dass die Sorge um Umwelten, seien sie urban oder rural, Landschaften oder Städte, lokale oder globale ökologische Zusammenhänge, vordringliche Herausforderungen darstellen. Dabei ist die Sorge um die Umwelt nichts Neues, sondern bereits in zahlreichen vormodernen Zusammenhängen sichtbar. Diese Sorgepraktiken für das ‚nicht-menschlich Andere‘ (Puig de la Bellacasa 2017) gilt es mit diesem Schwerpunkt zu erkunden.

Beginnen werden wir den Workshop mit einer Keynote der Soziologin Prof. Dr. Gesa Lindemann, welche aus Sicht der modernen Soziologie in das Thema einführen wird. Danach werden wir abwechselnd mit Impulsvorträgen und World-Café-Runden Fragen der Sorge(n) des Lebens für die Altertumswissenschaften vertiefen und aus der Perspektive der Herausforderungen Zugänge entwickeln und diskutieren. Abschließend werden wir die drei Schwerpunkte in einer Plenumsdiskussion wieder zusammenbringen. Angestrebt ist eine Präsenzveranstaltung.

Wir möchten dazu einladen, Impulsreferate oder Posterpräsentationen (max. 10 min.) einzureichen. Abstracts dazu (max. 1000 Zeichen) können mit Zuordnung zu möglichst einem der Schwerpunkte eingereicht werden. Die Workshopsprache ist Deutsch. Eine Publikation der Beiträge ist im Rahmen einer zitierfähigen, persistenten, multimedialen Website (Videopräsentationen, Essays, Kurzbeiträge, Poster etc.) über das Online-Repositorium der JGU geplant.

Wir bitten um eine Anmeldung (unabhängig davon, ob mit oder ohne eigenen Beitrag) bis zum 01. Juni 2022, da aus organisatorischen Gründen die Teilnehmer*innenzahl auf ca. 40, die der Impulsvorträge und Poster auf ca. 12 beschränkt werden muss.

ANMELDUNG

Wir freuen uns auf viele Anmeldungen und interessante Projekt- und Ideenskizzen aus den unterschiedlichen Areas und Fächern.

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